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Weihnachten in Tansania: Heimkehren nach Kagera

  • Autorenbild: Ueli Litscher
    Ueli Litscher
  • vor 3 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 19 Stunden


Bild: WomenCraft Flechterinnen beim gemeinsamen Singen und Tanzen.
Bild: WomenCraft Flechterinnen beim gemeinsamen Singen und Tanzen.

In der Schweiz bedeutet Dezember warme Kleider, stimmungsvolle Lichter in den Städten und gemütliche Weihnachtsmärkte mit Glühwein und Fondue. Zur gleichen Zeit sind die Hügel der Region Kagera in Nordwest-Tansania sattgrün von den kurzen Regenfällen. Es ist warm, die Tage sind lang, und die Felder stehen dicht. Doch auch hier zählt man die Tage bis Weihnachten.


Für viele der WomenCraft Flechterinnen ist Weihnachten einer der wichtigsten Feiertage des Jahres. Es geht weniger um Geschenke oder Dekoration – und viel mehr um Glaube, Familie und gemeinsames Feiern.


Weihnachten in Tansania: Glaube, Familie und Heimreise

Tansania ist religiös vielfältig, insgesamt aber mehrheitlich christlich: Schätzungen gehen von etwa 60–63 % Christinnen und Christen aus. In Regionen wie Kagera, rund um den Viktoriasee, ist der christliche Glaube besonders stark verankert; katholische und lutherische Gemeinden sind zentrale Bestandteile des Dorflebens.


Der 25. Dezember ist ein landesweiter Feiertag – ebenso wie der 26. Dezember. Viele Menschen haben daher Zeit, um in ihre Heimatdörfer zu reisen. Die Busbahnhöfe in den Städten sind überfüllt, denn für viele ist es der einzige längere Familienbesuch des Jahres.

Im Mittelpunkt steht der Kirchgang. An vielen Orten gibt es an Heiligabend einen Abendgottesdienst oder sogar eine Nachtfeier, und am Morgen des 25. Dezember folgen weitere Festgottesdienste. Die Stimmung ist lebhaft: Chöre singen Weihnachtslieder in Kiswahili und in lokalen Sprachen, es wird getanzt, und die Kirche ist mit Blumen, bunten Tüchern und manchmal auch mit Luftballons geschmückt. Kinder und Erwachsene tragen ihre besten Kleider – oft ein neues Outfit, eigens für diesen Tag gekauft.


Bild: Fleischhändler auf dem Markt in Ngara.
Bild: Fleischhändler auf dem Markt in Ngara.

Essen im Zentrum des Festes

Wenn Weihnachten in der Schweiz nach Zimt und Guetzli duftet, riecht es in Tansania nach Essen, das über offenen Feuern gekocht wird.


Viele Familien sparen monatelang, um zu Weihnachten etwas Besonderes einzukaufen – häufig eine Ziege oder eine Kuh, die an Heiligabend geschlachtet wird. Das Fleisch wird gegrillt oder als Eintopf zubereitet, und nichts wird verschwendet.


Das Herzstück vieler Weihnachtsmahlzeiten ist Pilau – würziger Reis, der in grossen Töpfen mit Fleisch, Zwiebeln und einer Mischung aus Nelken, Kardamom und anderen Gewürzen gekocht wird. Dazu gibt es gegrilltes Fleisch, Gemüse und Salate. Für viele ist es einer der wenigen Tage im Jahr, an denen die ganze Familie gemeinsam Fleisch isst.


Ein Highlight für Kinder sind die Getränkekisten voller Fanta oder Cola – ein besonderer Luxus, der für Gäste und die vielen Besucherinnen und Besucher reserviert ist. Kleine Geschenke gibt es gelegentlich, meist ein neues Kleidungsstück oder Süssigkeiten für die Kinder. Einige Gemeinden sammeln auch für Familien, die weniger haben, damit alle feiern können.


Bild: die Sodakasten sind bereit für die Festivitäten.
Bild: die Sodakasten sind bereit für die Festivitäten.

Küste und Inland: verschiedene Traditionen, gleiche Bedeutung

Die religiösen Traditionen unterscheiden sich regional. An der Küste und auf Sansibar ist der Islam dominanter, und wichtige Feierlichkeiten sind dort oft die islamischen Feste.

Doch auch dort feiern christliche Gemeinden Weihnachten mit denselben Elementen: Gottesdienste, Chorgesang und Familienzeit. Weihnachtsbäume sind selten – manchmal geschmückte Palmen oder künstliche Bäumchen –, aber die festliche Atmosphäre ist überall spürbar.


Im Inland, vor allem in ländlichen Regionen wie Kagera, ist Weihnachten ruhiger und stark gemeinschaftlich geprägt. Die Landschaft ist üppig und grün, und die Dörfer sind von Bananenhainen und Kaffeeplantagen umgeben.


Bild: Markt in Ngara
Bild: Markt in Ngara

Weihnachten in Kagera: ein Tag im Dorf

Stellt euch ein abgelegenes Dorf im ländlichen Distrikt Ngara vor, wo die WomenCraft Flechterinnen leben. In der Woche vor Weihnachten ist der Markt voller als sonst. Frauen verkaufen zusätzliche Bananen, Bohnen oder handgefertigte Körbe, um Reis, Öl oder ein Stück Fleisch zu kaufen. Schneiderinnen arbeiten bis spät in die Nacht an neuen Kleidern für die Kinder.


An Heiligabend probt der Kirchenchor ein letztes Mal. Gesänge und Trommeln erfüllen die warme Abendluft. Manche besuchen die Nachtmesse, andere schlafen früh, denn der nächste Tag beginnt vor Sonnenaufgang.


Am Morgen des 25. Dezember wird draussen Feuer gemacht, Wasser geholt und grosse Töpfe Pilau über den Kohlen zum Köcheln gebracht. Gleichzeitig werden die Kinder gewaschen, frisiert und angezogen. Gegen acht oder neun Uhr strömen Familien auf den roten Erdewegen zur Kirche.


Bild: WomenCraft Flechterinnen unterwegs zur Kirche.
Bild: WomenCraft Flechterinnen unterwegs zur Kirche.

Der Gottesdienst ist lang und lebendig – mit Lesungen, Dankgebeten und vielen Liedern. Unterschiedliche Chöre treten auf: Frauen, Jugendliche, Kindergruppen. Manchmal wird ein Baby getauft, Opfergaben werden gesammelt, nicht nur in Geld, sondern auch in Naturalien: Bananen, Bohnen, manchmal ein Huhn.


Nach der Kirche begrüssen sich die Menschen mit “Heri ya Krismasi” – Frohe Weihnachten – und dann beginnen die Besuche. Kinder ziehen in Gruppen von Haus zu Haus, probieren hier einen Löffel Pilau, dort ein Stück Fleisch – und freuen sich besonders über eine Fanta. Erwachsene sitzen im Schatten zusammen, reden, lachen und geniessen das Zusammensein.

Für viele WomenCraft Flechterinnen ist Weihnachten auch eine Zeit des Anhaltens nach einer intensiven Arbeitsphase. Die Vorweihnachtszeit ist Hochsaison für die Produktion von weltweiten Bestellungen, vor allem auch der Lieferung für die Produkte für die Schweizer Weihnachtsmärkte. Nach Weihnachten beruhigt sich das Geschäft und die Bestellungen. Wenn dieser Stress vorbei ist, stehen Familie und Gemeinschaft im Mittelpunkt. Das Einkommen aus dem Flechten ermöglicht es, zu Weihnachten ein bisschen mehr auf den Tisch zu stellen.


Bild: WomenCraft Produktion in der Hochsaison vor Weihnachten.
Bild: WomenCraft Produktion in der Hochsaison vor Weihnachten.

Ein anderes Weihnachtsfest – doch derselbe Kern

Aus der Schweiz betrachtet wirkt Weihnachten in Tansania oft bescheidener. Es gibt weniger Lichter, weniger Geschenke und kaum Weihnachtsbäume. Doch in vieler Hinsicht trifft es den Kern des Festes: Heimkehren, Teilen und gemeinsam Hoffnung feiern.

Für uns bei WomenCraft ist diese Zeit eine Erinnerung daran, warum unsere Arbeit so wichtig ist. Wenn eine Frau dank ihres Handwerks ein eigenes Einkommen erzielt, verändert sich Weihnachten in ihrem Zuhause spürbar: mehr Essen, mehr Sicherheit, mehr Würde. Die Feier bleibt dieselbe – aber die Möglichkeiten wachsen.


Während wir in der Schweiz Kerzen anzünden, über Weihnachtsmärkte spazieren oder ein Fondue teilen, schledern die Menschen in Kagera auf den roten Erdewegen zur Kirche, stehen am Feuer über grossen Kochtöpfen und Teilen ihr Festmahl im Kreis der Familie unter dem tansanischen Sternenhimmel.


Es ist dieselbe Weihnachtsgeschichte, erzählt in einer anderen Landschaft – und dank eurer Unterstützung sind diese beiden Welten miteinander verbunden.

 
 
 

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