Im abgelegenen Nordwesten Tansanias, dem zuhause der WomenCraft Flechterinnen, sind traditionelle Geschlechterrollen immer noch tief verankert. In diesen Strukturen verüben Frauen einen Grossteil der Arbeiten im Haus und in den Feldern. Sie kümmern sich um die Kinder, kochen, putzen, holen Wasser und Feuerholz und kaufen ein auf dem Markt. Täglich verbringen sie je nach Jahreszeit auch mehrere Stunden in ihren Feldern zum Anbau, zur Ernte, zum Jäten von Unkraut oder zum Umgraben der Felder. All dies lässt den Frauen kaum Zeit für andere Beschäftigungen. Männer sind traditionell verantwortlich für das Verdienen und Ausgeben des Geldes der Familie.
Es ist offensichtlich, dass es in diesem Kontext sehr schwierig ist für Frauen, Einkommen zu verdienen und dieses selber zu verwalten. Einerseits haben sie in ihrer traditionellen Rolle nicht die Zeit um Geld zu verdienen. Andererseits sind Frauen gegenüber ihren Partnern oft nicht in der Lage, in Geldfragen mitzubestimmen. Mit WomenCraft arbeiten wir seit über zehn Jahren daran, es den Flechterinnen zu ermöglichen, diese beiden Hürden zu überwinden.
Um den Frauen mehr Zeit für ihr Flechten zu ermöglichen, haben wir ihre Löhne so gestaltet, dass diese einen Anteil für die Bezahlung von landwirtschaftlichen Teilzeitarbeitern und Haushaltshilfen enthalten. Die Anstellung solcher Aushilfen ist eine bedeutende Entlastung für die Frauen, da sie nun kaum mehr selber in den Feldern arbeiten müssen und Familienmitglieder einstellen können, die beim Kochen, Wasserholen und anderen Haushaltsarbeiten helfen. Heute gibt die Mehrheit der Flechterinnen an, dass sie regelmäßig Teilzeitarbeitskräfte in der Landwirtschaft sowie Haushaltshilfen beschäftigen und dadurch wirklich auf ihr Flechten fokussieren können.
Die Flechterinnen sind damit also in der Lage, ein Einkommen zu erzielen. Nun müssen sie in ihren Geschlechterrollen gestärkt werden, damit sie ihr Einkommen auch behalten und selbst über dieses verwalten können. Um dies zu erreichen, investieren wir seit über zehn Jahren in Workshops in den Flechtgemeinschaften und die Ausbildung von lokalen «Counsellors» (Beraterinnen/Sozialarbeiterinnen).
Konkret wurde in jeder Flechtgruppe eine Flechterin gewählt, die die Rolle als Counsellor übernommen hat. Ihre Rolle besteht in Unterstützung zur Lösung von Konflikten sowohl zwischen den Gruppenmitgliedern als auch zwischen den einzelnen Mitgliedern und ihren Ehemännern und Familien. Zu diesem Zweck wurden die Counsellors ausgebildet in Konfliktmanagement und Mediation.
Darüber hinaus organisieren wir seit über zehn Jahren Workshops und Schulungen zu Fragen betreffend den traditionellen Geschlechterrollen, an denen sowohl die Flechterinnen als auch ihre Ehemänner teilnehmen. In diesen Workshops haben wir die Bedeutung der finanziellen Unabhängigkeit der Frauen hervorgehoben, nicht nur zu ihrem eigenen Nutzen, sondern auch zum Nutzen ihrer Familien und der Gemeinschaft als Ganzes. Letztes Jahr wurden diese Workshops von Elias Sekanzoya geleitet, dem Ehemann einer unserer großartigen Gruppenleiterinnen, Mama Ezira (siehe Bild zu unterst). Es war fantastisch, einen unterstützenden Ehemann zu erleben, der mit seinen Kollegen offen und stolz darüber sprach, wie die Arbeit seiner Frau nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch ihre Familie und Gemeinschaft positiv verändert hat.
Heute gibt die überwiegende Mehrheit der Flechterinnen an, dass sie selbst oder zusammen mit ihren Ehemännern über die Verwendung ihres Einkommens entscheiden. Fast alle sagen, dass ihre Ehemänner und ihre Familien heute stolz auf ihre Arbeit als Flechterinnen sind und wie ihr Einkommen dazu beiträgt, ihren Lebensunterhalt zu verbessern.
Wir sind stolz darauf, dass wir mit WomenCraft diesen positiven Wandel für die Stärkung der Rollen der Frauen in der Region unterstützen konnten. Wir sind dazu in der Lage, weil wir selbst tief in den lokalen Gemeinschaften verwurzelt sind und weil wir den lokalen Kontext und die Bedeutung der lokalen Kultur und Traditionen verstehen und respektieren.
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